Es ist sehr möglich!
Der kürzlich verstorbene Staatsrat Stryk führte fast bei jeder Gelegenheit die angenommene, ihm zur Gewohnheit gewordene Redensart im Munde: Es ist sehr möglich. Nicht seltenlief sie sogar in seine amtlichen Vorträge mitunter, die er über Verwaltungsgegenstände dem Landesherrn schriftlich im Kreise der übrigen Amtsgenossen und der Minister machte. Dann gab es, auch bei den allerernsthaftesten Anlässen, ein stilles Lächeln, wie ein Lächeln bei des Nachbars Schwächen zu sein pflegt. Das konnte nicht fehlen.
Gewisse Leute sehen des Nachbars Schwächen mit stets verjüngtem Vergnügen. Inzwischen war und blieb der Staatsrat Stryk ein angesehener, hochachtbarer Mann. Die nacheinander folgenden Landesfürsten schätzten ihn, und zogen ihn immer wieder hervor, weil er mit seinen Kenntnissen, mit seiner Gewandtheit in Geschäften wesentliche Dienste leisten konnte.
Jedermann gab zu, er sei ein gelehrter Mann, ein Mann von Takt, wie man ihn wegen der ihm eigenen Menschenkenntnis nannte, die er so richtig anzuwenden wußte. Ja, man hielt ihn für gelehrter, als er war, für klüger, als er war; selbst gute Köpfe hatten nicht nur Ehrfurcht und Achtung für ihn, sondern sogar eine gewisse Scheu, weil sie denen nicht recht trauen, die klüger sind, als sie. Und doch war der Staatsrat Stryk ein grundredlicher, offener gewissenhafter Mann, dem man nichts Böses nachsagen konnte.
Aber eben daß man das nicht konnte, galt wieder als Beweis seiner Erzfeinheit, und als triftiger Grund, sich vor dem Manne in Acht zu nehmen. Der Glaube an seine Klugheit ging so weit, daß man ihn allgemein für den weitsehendsten Politiker, für einen wahren Propheten hielt. Und an dem Allen war seine sprichwörtliche Redensart schuld: Es ist sehr möglich!
Es wird unsern Lesern nicht unangenehm sein, folgende Beiträge zur Charakteristik dieses in der Geschichte seines Vaterlandes merkwürdigen Mannes zu erhalten. Wir verdanken sie seinen nächsten Verwandten. Zum Teil gab er sie selber in einer Art Tagebuch, das er in früheren Jahren fleißig unterhielt. Das Wichtigste bleibt immer sein Sprichwort, das er überall anbrachte: Es ist sehr möglich!
Denn wenn es ihm zuweilen, ihm selbst unerwartet, entfuhr, sprach er es doch nie gedankenlos. Oft veranlaßte es ihn, wenn es ihm einmal entschlüpft war, den Folgen davon weiter nachzuforschen, und es berichtigte oder bestimmte dann seine Ansichten der Dinge und leitete dem zufolge seine Handlungsweise. Das Sprichwort übte also über seine Denkart, über sein Thun und Lassen und über den Gang seiner Schicksale einen großen, entscheidenden Einfluß.
Wer sollte dies glauben? Gerade von einem Manne von Verstand und Einsicht glauben? Und doch war es sehr möglich. Er selbst wußte dies von sich wohl. Dennoch blieb er nicht nur seinen vier Wörtern getreu, sondern wollte sogar in vollem Ernst, daß sich sein einziger Sohn dieselben angewöhnen sollte. Der junge Mann, der, wie es junge Leute zu haben pflegen, sich gern einbildete, in mancherlei Dingen besser zu sehen, als der alte Herr, fand solche Zumutung etwas sonderbar. „Ihnen verzeiht man die kleine Eigenheit gern, lieber Vater,“ sagte er, „aber an mir würde man sie lächerlich finden, weil sie offenbare Nachäffung und eine recht absichtlich und freiwillig angenommene Redensart wäre.“
„Das ist sehr möglich, lieber Fritz!“ versetzte der Staatsrat: „Aber was ist daran gelegen, wenn solch ein paar Wörter dir Ruhe, Gleichmut, Besonnenheit und Lebensglück geben? Der Gewinn ist zu groß. Und willst du das Wort nicht laut sagen, aus Furcht vor den Spöttern, so beschwör‘ ich dich, denke es wenigstens bei jeder Gelegenheit für dich im Stillen.“ „Aber, Väterchen, wozu das? Ihre Vorliebe für die Redensart geht doch beinahe zu weit, wie es mir vorkommt.“ „Kind, ich habe für die Redensart nicht so viel Vorliebe, als für dich; darum wünsche ich sie, und mit ihr meine Seelenruhe, mein inneres Glück, auf dich zu vererben. Glaube doch nicht, daß mein Sprichwort mir ganz zufällig zur Gewohnheit geworden sei. Nein, es war ursprünglich eine recht absichtliche und freiwillig angenommene Redensart. Ich verdanke ihr aber Alles, was ich bin und habe.“
„Was bewog Sie denn, diese Eigenheit anzunehmen?“ „Das Unglück meiner Jugend und die Verzweiflung. Und nur durch diese elenden Wörter richtete ich mich wieder empor und ward meiner selbst Meister. Deine Großeltern waren herrliche, gottesfürchtige Personen; großes Vermögen aber besaßen sie nicht. Was ich von ihnen erbte, reichte zur Not hin, daß ich meine Lehrzeit auf der hohen Schule anständig zubringen konnte, und noch einige Jahre darüber hinaus zu leben hatte. Ich war ein junger unverdorbener Mensch, hatte brav gelernt und war beinahe zu gut, weil ich nur unter den Urbildern des Höchsten und Edelsten lebte. Das brachte mir viel Unheil; denn ich verkannte die Welt, und glaubte sie, je nach Umständen , bald nur von lauter Engeln, bald von lauter Teufeln bevölkert.“ „Das begegnet mir wohl, wider Willen, auch jetzt noch!“ sagte Fritz. „Das ist sehr möglich,“ antwortete der Staatsrat, „denn ein junger Mensch, der nicht in diesen Irrtum verfällt, hat entweder nie ein ganz reines oder kein warmes Herz gehabt. Man muß einmal da hindurch.
Nun weiter. Ich mußte lange unentgeldlich in den Dikasterien arbeiten, ehe ich einen Titel und endlich ein Ämtlein mit magerm Gehalt empfing. Das ist so der Lauf der Dinge. Ich wußte es voraus, Man durfte nicht wissen, daß ich arm sei; sonst hätte ich bei Hohen und Niederen weit weniger Achtung genossen, als ich verdiente. Ich war also beständig äusserst sauber gekleidet, was man damals galant hieß, jetzt elegant. Ich wohnte in schönen Zimmern; ich erschien in den vornehmsten Gesellschaften. Ich scheute mich sogar nicht, von Zeit zu Zeit kleine Lustpartien mitzumachen, die etwas Geld kosteten. Dabei war ich ohne Schulden, und das wollte von jungen Herren meines Alters und Standes viel sagen. Ich stellte mich überall wohlhabender, als ich war. Und das Alles bewirkte ich mit wenigem Gelde. Niemand wußte, daß ich das ganze Jahr hindurch elender lebte, als ein Baugefangener. Salz und Brot und Wasser nebst Milch war meine beständige Kost. Bei allem dem war ich sehr glücklich, weil mein Herz vollen Genuß hatte, nicht nur im Bewußtsein erfüllter Pflichten oder in jugendlichen Hoffnungen von einer goldenen Zukunft, sondern auch sonst noch. Ich war überall willkommen und geliebt. Die Weiber hatten mich gern. Unter den Männern war ich wohl gelitten. Allein von allen Männern hatte ich nur einen einzigen auserwählten, geprüften Freund, einen Advokaten Schneemüller. Wir Beide waren Ein Herz und Eine Seele. Schon auf der Hochschule hatte er sich in einem Duell für mich beinahe aufgeopfert. Er war in Not und Weh bewährt.
Von allen Frauenzimmern galt mir nur eines über alle. Es war die Tochter des Generals van Tyten. Sie hieß Philippine. Ich liebte sie Jahre lang schweigend; liebte, ohne zu wissen, wie ich liebte. Es war beinahe nur stumme Abgötterei; aber mein ganzes Leben ward durch diese Liebe geheiligt. Niemand erfuhr den Zustand meines Innern; ich wagte Keinem davon zu sprechen. Denn was dem Gemüt das Allerheiligste ist, wird durch den Laut des Wortes, auch des reinsten, entweiht. Daher spricht Niemand gern einem Andern von seiner Liebe, und Niemand gern im gesellschaftlichen Leben von seiner innersten Religion.“
„Auch Ihrem Freunde vertrauten Sie sich nicht?“ „Nein, auch ihm nicht; schon deswegen nicht, weil ich in meiner Dürftigkeit, in meiner Amtslosigkeit, in meiner Bürgerlichkeit gar nicht an die reiche, hochgeborne Generalstochter ernstlich denken durfte. Hingegen erfuhr ich von Schneemüller zuerst, was ich nie geglaubt hätte, daß man allgemein sage, ich sei Philippinens Günstling; sie liebe mich mit romanhafter Schwärmerei; es habe deswegen zwischen ihr und ihrer Mutter sogar schon kleine Auftritte gegeben. Was ich Schneemüllern nicht glaubte, davon war ich ein halbes Jahr nachher überzeugt, als Zufälle Philippinen und mich enger zusammenführten und endlich unser beiderseitiges Geheimnis entsiegelten. Natürlich, wir schworen uns ewige
Liebe, und lieber den Tod, als Untreue zu ertragen. Von nun an war ich im Himmel. – Um diese Zeit strömten auch von aussen alle Gunstbezeugungen Fortunens über mich zusammen. Ich ward Hofkammerrat der verwittweten Herzogin, und genoß einen mäßigen, doch anständigen Gehalt. Die Kluft zwischen meiner und Philippinens Hand war nicht mehr unausfüllbar. Der General brauchte mich und ward traulicher und seine Frau hatte gegen Philippinens Schwärmereien keine so häufigen Einwendungen mehr zu machen. Bald nachher fiel mir aus Batavia eine bedeutende Erbschaft von einem dort verstorbenen Vetter zu. Die Gelder waren in Amsterdam, nach geschehener Legitimation, zu erheben. Ich war beinahe ein Millionär geworden. Ich war selig, nicht des Geldes, sondern Philippinens wegen. Gerade damals warb ein hübscher junger Mann, ein Graf, ein Favorit unsers damaligen Landesherrn, um ihre Liebe. Sie spöttelte dazu. Sie küßte meine kleinen, eifersüchtigen Besorgnisse hinweg. Sie selbst forderte mich nun auf, um ihre Hand anzuhalten bei den Eltern. Das war mir natürlich ein schweres Stück Arbeit. Doch machte ich Anstalt. Zugleich sollte ich, wegen des Erbes, nach Amsterdam. Das fiel mir sehr ungelegen, teils weil ich mich ohne Todeskrankheit nicht auf so lange Zeit von Philippinen trennen zu können glaubte; teils weil sie selber gegen meine persönliche Hinreise sprach, teils auch, weil mir der junge Graf gar zu-reich, zu hübsch zu zudringlich vorkam. Wir wurden endlich einig, und Freund Schneemüller reiste mit allen obrigkeitlichen Papieren, Zeugnissen und nötigen Vollmachten versehen, nach Amsterdam.“
Sie haben mir“, sagte Fritz, „doch noch nie von diesem Ihrem Freund gesprochen.“ „Kann sein,“ erwiederte der Staatsrat: „das erklärt sich von selbst. Es vergingen Wochen und Tage. Mein Freund und Mandatarius schrieb nie. Ich bestürmte ihn mit Briefen. Ich kam sogleich auf den Gedanken, er sei krank, sehr krank. Die Freundschaft überwand die Liebe; ich reiste nach Amsterdam. Philippine war bei meiner Abreise ausser sich vor Schmerz. Sie sank, als ich von ihr ging, ihrer Mutter ohnmächtig in den Arm. – Auf der ganzen Reise fragte ich Schneemüllern nach. Ich fand seinen Namen in allen Postbüchern. Ich kam nach Amsterdam. Er war da gewesen. Er hatte das Testament und die Summen in Wechseln erhoben, einige Wechsel sogleich zu Geld gemacht, andere gegen Banknoten ausgetauscht, andere gegen andere Wechsel. Ihn selbst fand ich nirgends. Das kam mir sonderbar vor, Endlich erfuhr ich mit Erstaunen, ein Mann von seiner Gestalt habe sich auf ein amerikanisches Schiff begeben, schon vor zwei Monaten, also bald nach Bezug der Erbschaft. Ich rief immer: es ist nicht möglich! Allein ich erhielt bestimmte Gewißheit. Da war’s möglich. Mein Freund, mein bester Freund hatte mich betrogen.“ „Abscheulich!“ rief Fritz.
„Ich reiste zurück, mit zerrissenem Herzen. Wohl hätte ich das Geld verschmerzt, aber die Treulosigkeit meines Herzensfreundes konnte ich nicht verschmerzen. Er raubte mir das Vertrauen und den Glauben an die Menschheit. Als ich in unserer Stadt angekommen war, wäre ich gern sogleich zum General van Tyten, zu Philippinen geflogen, die vorläufig das Unglück zwar schon aus einem Briefe von mir erfahren hatten. Doch es war zu spät Abends. Mein Hauswirt begrüßte mich freundlich. „ Was gibt’s denn Neues bei uns?“ fragte ich.
„Nicht sonderlich viel. Daß das Fräulein van Tyten vor vier Wochen vermählt ist, wissen Sie!“ sagte er. – „Nicht möglich! Nicht möglich! Vermählt? was? die Tochter des Generals van Tyten? mit wem? mit dem Grafen? – was? nicht möglich!“ rief ich.
„Allerdings!“ erwiderte er, und erzählte mir ganz ruhig alle Umstände haarklein, woraus erhellte, daß meine Philippine sich gar nicht gesträubt habe, dem hübschen, reichen, am Hofe sehr bedeutenden Grafen die Hand zu geben, sobald er darum angehalten hatte. Und dies mochte kurz nach dem Empfang des Briefes geschehen sein, welchen ich dem General aus Amsterdam von Schneemüllers Schurkerei geschrieben hatte. Ich glaubte aber an das Geschwätz meines Hauswirts nicht und rief immer: es ist unmöglich! Ich glaubte die ganze Nacht nicht daran, wohl aber den folgenden Morgen; denn da vernahm ich von allen Seiten und vom General selbst die Bestätigung.“ „Abscheulich, abscheulich!“ rief Fritz, und drückte die Hand fest auf sein Herz , als wollte er es vor den Zerspringen bewahren. Der alte Staatsrat sagte: „Nun ja, so rief ich auch. Nun so von allen Seiten und so betrogen, – nun glaubte ich an nichts mehr fest auf Erden, an die Liebe keines Mädchens, an den Schwur keines Mannes, an die Dauer keines Schicksals. Was mir unmöglich geschienen, war geschehen. Nun hielt ich auch das Unglaublichste für möglich, nur nicht, daß der Mensch und sein Los beständig sei. Und wenn man mir auch das Unwahrscheinlichste sagte, antwortete ich: Es ist sehr möglich! – In den vier Worten lag das System meiner gesamten Lebensweisheit von da an. Ich nahm es mir vor, nur immer die Worte bei jedem Anlaß zu wiederholen. Ich fand darin Trost in der Tiefe meines Elends. Diese Worte bewahrten mich vor Verzweiflung. Ich lernte, daß ich auf nichts mehr zählen sollte, als auf mich selbst. Kannst du, dachte ich manchmal, kannst du denn noch jemals auf Erden froh werden ? – Es ist sehr möglich! war dann mein Refrain, und er bestätigte sich. Seitdem behielt ich ihn bei. Die größte Huld des Glückes berauschte mich nicht mehr; ich dachte an die Vergänglichkeit und das Unglück, und sagte: Es ist sehr möglich. Ich hatte seitdem keine größere Freude, als an dem Tage, lieber Fritz, da du geboren wurdest. Aber ich mäßigte mein Entzücken mit dem Gedanken: du könntest mir durch den Tod entrissen oder ein ungeratenes Kind werden. Da sagte ich: es ist sehr möglich! und ward nüchtern und auf alles Böse gefaßt.“ „Gott sei Dank, – Väterchen,“ rief Fritz, „es ist beides nicht eingetroffen.“ „Gleichviel, mein Sohn, aber es war sehr möglich. Seit ich mein Sprichwort habe, nehme ich jede angenehme Stunde, wie ein Geschenk des Himmels, ohne es für bleibend zu halten, und überrascht mich kein Übel mehr, denn ich bin darauf gefaßt, und weiß es hört endlich auf. Es ist Alles sehr möglich. Darum rate ich dir, eigne dir diese Idee an. Sie muß sich aber durch beständigen Gebrauch in dein ganzes Wesen auflösen, sich gleichsam in deinem ganzen Nervenbau verknorpeln – sonst frommt sie nichts, und du bleibst charakterlos.“
„Wir Menschen alle“, fuhr der Staatsrat fort, „werden bei unsern wichtigsten und unwichtigsten Begebenheiten und Handlungen von einer in dem Augenblick erst schnell aufsteigenden, oft uns selbst fast unbewußten Idee geleitet. Sie ist dann des Augenblicks und der Umstände flüchtiges Erzeugnis, und zwar so sehr, daß man sich hintennach oft nicht einmal Rechenschaft geben kann, warum man eigentlich im entscheidenden Moment gerade so, und nicht anders handelte. Unwissende glauben an göttliche oder satanische Juspiration. Daher können auch nur äusserst wenige Menschen dafür gut stehen, wie sie allenfalls unter diesen oder jenen Verhältnissen handeln würden. Sie können es nicht; denn beim Heransturz des Verhängnisses sind sie meistens ihrer selbst nicht mächtig, wie behext, wie betäubt, wie berauscht, weil ihrem Geiste alle Festigkeit , ich möchte sagen das starke Knochengeripp, die fixe Idee der höchsten Lebensweisheit, der starke Christussinn, das Verachten des Irdischen und seines Spiels, das Hinschauen auf das Ewigwahre, Ewiggute fehlt. –Um sich solches eigen zu machen, muß man ein sehr einfaches Mittel, irgendeinen überall anzubringenden Weidspruch, wählen. Stehe es dann und wann auch nicht wohl an: ei nun, was schadet’s? Genug, wenn uns das Wahrste und Erhabenste zur bloßen Gewohnheit wird, das heißt, zur andern Natur, aber nicht zur tierischen gedankenlosen, sondern zur vollbewußten. Das gibt Stärke, das gibt Stetigkeit. Darum folge meinem Rat! Es ist dir sehr möglich.“
Mit der Stärke und Stetigkeit des Gemüts hatte es beim Staatsrat Stryk seine volle Richtigkeit; inzwischen zog ihm sein Sprichwort doch zuweilen auch manchen Verdruß zu, was wenigstens andern Leuten wohl Verdruß gewesen wäre. Aber ihn focht nichts leicht an. Zum Beispiel war er eines Tages in der Ministerialversammlung, welcher der Kurfürst beiwohnte. Es war zur Zeit des französischen Revolutionstaumels. Man sprach nach aufgehobener Sitzung noch von den neuesten Vorfällen in Paris, in Lyon, in Straßburg; sprach von der ungeheuern Verwandlung der französischen Nation, von der ehemaligen Abgötterei, die sie mit ihren Königen getrieben, und von ihrer nunmehrigen Freudetrunkenheit beim Sturz des Thrones. „Das ist das schändlichste Volk auf Gottes Erdboden!“ rief der Kurfürst: „Kein anderes Volk könnte das. Denk‘ ich an meine Untertanen –nie, des bin ich gewiß, werden sie von solchem Schwindel ergriffen werden nie vor einem Andern kniebeugen. Was meinen Sie, Stryk?“ Der Staatsrat hatte in dem Augenblick an etwas Anderes gedacht, die Worte seines Herrn nur halb gehört, und zuckte verlegen die Achseln, indem er nach seiner Gewohnheit sagte: „Es ist doch sehr möglich!“ Der Kurfürst stutzte. „ Wie verstehen Sie das?“ rief er: „Glauben Sie, es könnte je ein Augenblick kommen, da meine Untertanen froh sein könnten, mich verloren zu haben?“ „Es ist sehr möglich!“ sagte Stryk mit Besonnenheit: „Man kann nichts voraus wissen. Niemand ist unzuverlässiger, als ein Volk; denn das Volk besteht aus Menschen, von denen sich jeder selbst mehr liebt, als den Fürsten. Eine neue Ordnung der Dinge bringt neue Hoffnungen; und immer sind Hoffnungen verführerischer, als der Besitz eines Gutes selber. So sehr Eure. kurfürstliche Durchlaucht auch von allen Ihren Untertanen geliebt werden, und so sehr Sie die Liebe derselben verdienen: doch wollte ich nicht schwören, daß nicht, bei verwandelten Umständen, dies Volk alle Wohltaten vergessen, und zu Ehren einer Republik oder eines andern Herrn Freudenfeste und Illuminationen anstellen, die kurfürstlichen Wappen abreißen und beschimpfen könnte. O ja, es ist sehr möglich.“„Sie sind nicht gescheit!“ versetzte der Kurfürst heftig und wandte ihm den Rücken. Stryk fiel in Ungnade. Jedermann sagte damals: Stryk ist ein Narr. Einige Jahre nachher drangen die Franzosen glücklich über den Rhein. Der Kurfürst mit seinem Hofstaat flüchtete. Man jauchzte Freiheit und Gleichheit hinter ihm her, stellte Freudenfeste und Illuminationen an, und riß die kurfürstlichen Wappen ab. -Stryk, als ein kenntnisvoller, brauchbarer Mann, fand auch unter der neuen Ordnung der Dinge seine Anstellung, und um so mehr, da bekannt genug war, weswegen er beim vertriebenen Landesherrn in Ungnade gefallen war. Man betrachtete ihn gewissermaßen als ein rührendes Schlachtopfer des fürstlichen Despotismus. Das Neue befestigte sich, und Stryk trug durch seine Tätigkeit und Geschäftskunde dazu nicht wenig bei. Ungeachtet seines natürlichen Feuers ließ er sich doch nie zur politischen Schwärmerei hinreißen. Er hielt es auch nie mit einer Partei; das mußte ihn jeder Partei verdächtig machen. Die Jakobiner hießen ihn einen verkappten Royalisten; die Royalisten hießen ihn einen verkappten Jakobiner. Er lachte zu beiden Titeln und that seine Pflicht.
Eines Tages kam ein Regierungskommissär in das Departement, dem man, wie sich von selbst versteht, die größten Ehrenbezeugungen erwies. Jeder drängte sich zu demselben; Jeder suchte sich bei ihm einige Wichtigkeit zu geben. Mitunter fehlte es auch nicht an Leuten, die über den braven Stryk und die Zweideutigkeit seiner republikanischen Gesinnungen ihr dienstwilliges Wörtchen an den Mann brachten. Der Kommissär, da er einst mit Stryk in großer, glänzender Gesellschaft zusammentraf, wo mancher feurige Toast auf die Freiheit der Welt, auf die Rechte der Völker, auf die Siege der Republik angebracht worden war, wandte sich auch zu Stryk. „Ich wundere mich nur,“ sagte er, „daß die Könige es noch wagen, wider uns zu streiten. Denn sie beschleunigen damit nur ihren eigenen Sturz. Die Revolution macht die Runde um die Welt. Was hoffen denn die Leute? Bilden sie sich ein, die große Nation mit den Waffen zu beugen und die Bourbonen zurückzuführen? – Die Toren! Eher würde ganz Europa untergehen. Was meinen Sie, Bürger: ist es einem vernünftigen Manne nur gedenkbar, daß in Frankreich jemals wieder ein Thron aufgebaut werde?“ „ Unwahrscheinlich allerdings,“ sagte Stryk, „aber es ist sehr möglich.“ „Was? sehr möglich?“ schrie der Kommissär mit donnernder Stimme, daß die ganze Gesellschaft zusammenfuhr: „Wer schon an der Dauer der Freiheit zweifelt, hat sie nicht geliebt. Es tut mir leid, daß einer der ersten Beamten solche Gesinnungen nährt. Wie können Sie sich auch nur entschuldigen?“ -„Entschuldigen?“ sagte Stryk ganz ruhig: „Es ist sehr möglich. Das freie Athen gewöhnte sich erst an einen Perikles, dann an einen König von Macedonien. Rom hatte erst Triumvirate, dann einen Cäsär und zuletzt Neronen. England tötete seinen König, hatte einen Cromwell, hintennach wieder Könige. „Was wollen Sie mit Ihren Römern, Athenern und Engländern?“ rief der Kommissär: „Was wollen Sie mit diesen elenden, charakterlosen Völkern, die der Ketten wert waren? Sie werden sie doch nicht mit den Franzosen in Vergleich setzen? Aber ich verzeihe Ihnen Ihre schiefe Ansicht. Sie sind kein geborner Franzose.“
Es war jedoch dem Kommissär mit dem Verzeihen kein besonderer Ernst; denn Stryk verlor bald darauf seine Stelle. Er mußte sich sogar gefallen lassen, wegen verdächtiger Reden in Verhaft und peinliche Untersuchungen zu geraten. Einige Jahre nachher ward Buonaparte erster Konsul, erst für zehn Jahre, dann für Lebenszeit, dann Kaiser und König. Stryk ward gleich anfangs wegen seiner Einsicht, Rechtschaffenheit, und weil er von jeher zu denen gehört hatte, die man die Gemäßigten nannte, wieder in Amt und Würden eingesetzt. Von dieser Zeit an genoß er in seinem Kreise höhere Achtung, als je. So manches, was er zuvor gesagt hatte, war erfüllt. Man hielt ihn für einen politischen Fernseher, Napoleon verwandelte die Welt und verschenkte Kronen. Auch Stryk ward der Diener einer dieser Kronen und genoß die größten Ehren. Nun war kein Mensch mehr Republikaner. Jeder kroch vor dem neuen Herrscher. Ja, Niemand wollte jemals zu den Republikanern gehört haben, sondern Jeglicher behauptete, von dem Schwindel, der einst Alle befallen hatte , frei geblieben zu sein. Man rechnete es zur bittersten Schande, nicht allezeit gut königlich gedacht zu haben. „Ich finde darin keine Schande,“ sagte Stryk, als sich einst darüber zwischen seinen besten Freunden Vorwürfe und Wortwechsel erhoben: „ich glaube, ihr alle habt, da der Schnupfen umging, davon befallen werden können. Und kommt ähnliche Witterung wieder, könnet ihr auch den Schnupfen noch einmal bekommen. Es ist sehr möglich.“
„Wie? Halten Sie uns alle für so schwache, arme Sünder?“ riefen sie insgesamt: „Wahrlich, ich für meine Person“, setzte Jeder hinzu, lasse mich nicht so leicht von dem moralischen Modefieber besiegen!“ „Das fällt mir“, sagte Stryk, „immer aus Addisons Zuschauer der Sultan von Egypten ein. Dieser Sultan tat sich etwas darauf zu gut, ein starker Geist zu sein. Nichts war ihm lächerlicher, als was der Koran von des Propheten Muhamed überirdischer Reise erzählt. Laut der Sure des Korans ward der Prophet nämlich, da er eines Morgens im Bette lag, vom Engel Gabriel durch Paradies und Hölle und alle sieben Himmel geführt; er hörte, er sah da Alles, was vorging, hielt mit Gott neunzigtausend Unterredungen, und das alles in so kurzer Zeit, daß der Prophet sein Bett noch warm fand, da ihn der Engel Gabriel wieder hineinlegte, ja, daß das Wasser eines Kruges, den er bei Anfang der Himmelfahrt vor seinem Bett umgestoßen hatte, noch nicht einmal ganz ausgeflossen war. – Es spöttelte der Sultan eines Tages über diese Geschichte auch in Gegenwart eines türkischen Heiligen, der im Rufe stand, Wunder verrichten zu können. Dieser nahm es auf sich, den Sultan von seinem Unglauben zu heilen, wenn er tun wolle, was ihm geboten würde. Der Sultan nahm den Mönch beim Wort. Der Heilige führte den Herrn der Gläubigen zu einer Kufe, die bis an den Rand voll Wasser war. Der ganze Hofstaat war zugegen, und umringte neugierig die Kufe. Der Mönch gebot dem Fürsten, den ganzen Kopf ins Wasser zu tauchen und augenblicklich wieder herauszuziehen. Der Sultan tat es. Kaum aber hatte er den Kopf im Wasser, sah er sich am Fuße eines Gebirges, unfern dem Meeresgestade, ganz einsam. Man denke sich sein Entsetzen! Er verwünschte den Mönch und schwor, ihm den Hexenmeisterstreich zeitlebens nicht zu verzeihen. Allein was half’s? Er mußte sich wohl in sein Schicksal ergeben. Zum Glück bemerkte er endlich Leute in einem Walde. Es waren Holzfäller. Mit Rath derselben kam er zu einer jenseits des Waldes gelegenen Stadt. Allein er befand sich weit von Egypten, am kaspischen Meere. Niemand kannte ihn. Er wagte nur nicht zu sagen, daß er der Sultan von Egypten wäre. Nach mancherlei Abenteuern gewann er die Gunst eines reichen Mannes und heiratete dessen schöne Tochter. Mit dieser hatte er vierzehn Kinder, nämlich sieben Knaben und sieben Mädchen. Seine Frau starb endlich, und nach mehreren Jahren kam er durch verschiedene Unglücksfälle, Krieg und Krankheit ins größte Elend. So weit kam es, daß er in den Straßen der Stadt sein Brot betteln mußte. Er weinte oft bittere Tränen, wenn er seinen gegenwärtigen betrübten Zustand mit der Pracht des ehemaligen egyptischen Palastes verglich und hielt sein Loos für Strafe und Züchtigung des vielbewiesenen Unglaubens. Er beschloß, Buße zu tun und sich nach Mekka durchzubetteln. Er vollbrachte die Wallfahrt glücklich. Ehe er aber
die heilige Stätte berührte, wollte er sich durch eine Waschung vorbereiten. Er ging zum Fluß, entkleidete sich, tauchte ganz unter und erhob sich wieder. Neues Wunder! Wie er den Kopf heraus zog, stand er nicht im Fluß, sondern dicht vor der Kufe, bei seinen Höflingen und dem Mönch, der ihn geheißen hatte, den Kopf ins Wasser zu stecken. Trotz seines Erstaunens und seiner Freude konnte er sich doch des Grimmes gegen den Mönch nicht enthalten, der ihm den boshaften Streich gespielt und so vielen Gefahren und Leiden preisgegeben hatte. Aber das Erstaunen des Sultans stieg auf’s Höchste, als er vom ganzen Hofe, dem er seine Schicksale erzählte, vernahm: er wäre gar nicht von der Kufe weggegangen, sondern habe diesen Augenblick erst den Kopf ins Wasser getaucht und ebenso plötzlich ihn wieder zurückgezogen.“ „Ihr Herren“, fuhr der Staatsrat fort, „seid wohl alle im Fall unsers Sultans von Egypten. Hätte man euch vor der Revolution vorausgesagt, was ihr alle während derselben tun würdet, ihr hättet es nicht geglaubt. Jetzt habt ihr den Kopf aus der Kufe gezogen, und wollt nun nicht Wort haben, was ihr zur Zeit der Wunder dachtet, fühltet, lebtet. Sollten die ausgewanderten Bourbonen und Adeligen je wieder nach Frankreich zurückkommen, ich wette, sie halten die ganze Geschichte seit 1789 für nicht geschehen, und stehen wieder, wie der Sultan von Egypten, fröhlich vor der Kufe, und betrachten die Jammerjahre wie eine träumerische Selbsttäuschung.“
Man lächelte. „ Nun, nun!“, sagten Einige: „der Herr Staatsrat mag in Manchem Recht haben. Aber sollte man im Ernst wohl denken, daß die armen Bourbonen je wieder zurückkommen? Das gehört nun doch ins Reich der Unmöglichkeiten.“ „Hm, es ist sehr möglich!“ sagt Stryk. Und in der Tat erlebte er auch noch diesen Umschwung der Dinge, und wie Alles wieder ins vorige Geleise der politischen Ordnung zurücktrat. Der Umschwung konnte für einen Mann von Stryks Denkart nicht gefährlich sein, besonders da er bei dem Napoleonischen Monarchentum zu letzt abermals in Ungnade gefallen war. Man sagte: Napoleon habe von seiner politischen Sehergabe gehört. Kurz vor der Abreise des Kaisers aus Frankreich zum Feldzuge nach Rußland ging einer seiner Generale zum Staatsrat und fragte ihn beiläufig, was er vom Ausgang des Feldzuges halte?
Der alte Geschäftsmann wunderte sich über die Frage, und wollte nicht antworten. Dem General kam dies sonderbar vor. „Ich denke, wir feiern die Weihnachten in Petersburg,“ sagte er, „es scheint aber, Sie fürchten von der Unternehmung schlechtes Gelingen.“ Der Staatsrat zuckte nach seiner Gewohnheit die Achseln und versetzte: Es ist sehr möglich. Das brachte ihm Schaden. Er ist ein Narr! hieß es, und sein Name verschwand ganz von selbst auf der Liste der Staatsräte. Da aber die verbündeten Mächte in Frankreich einrückten und allenthalben die Napoleonischen Schöpfungen zerstört wurden, sagte Jedermann: Stryk ist ein Prophet. Das ist immer das Schicksal der Weisen.
Seine Ungnade unter der Regierung der Anmaßer (wie nun plötzlich die verbannten Kaiser und Könige illegitimer Herkunft hießen) gereichte ihm zur Gnade bei dem neuen legitimen Landesfürsten. Doch fehlte wenig, sein Sprichwort hätte ihn auch bei diesem wieder in üblen Ruf gebracht. Denn als der Fürst eines Tages den Staatsrat fühlen ließ, man halte ihn für einen Achselträger, weil er bei allen Wechseln der Regierungen immer obenan geblieben wäre, und daß er es folglich mit keiner recht treu gemeint haben möge, antwortete der alte Mann ganz trocken nach seiner Gewohnheit: „Es ist sehr möglich; denn“, setzte er schnell hinzu, indem er sich besann, „ich war allezeit ein treuer Staatsdiener.“ -„Das ist platter Widerspruch!“ rief der Souverän: „Wie können Sie sich als einen treuen Staatsdiener proklamieren, wenn Sie heut einem rechtmäßigen, morgen einem unrechtmäßigen Herrn den Hof machen?“ -„ Eben, weil ich mich immer befliß, kein Herrendiener, sondern ein Staatsdiener zu sein. Unter unrechtmäßigen Herren oder übeldenkenden Herren ist es jedem redlichen Freund des Vaterlandes doppelte Pflicht, dem Staate zu helfen.“ „Was Staat?“ sagte der Souverän: „Ich rede von der Regierung. Können Sie die vom Staate getrennt denken?“ „Nein, allergnädigster Herr; wohl aber die regierende Person getrennt von der Regierung.“ Der Souverän warf einen finstern Blick auf den Staatsrat und sagte: „Das ist Revolutionssprache, die jetzt nicht mehr gelten soll. Merken Sie sich das: Ich und der Staat sind dasselbe. Sie sind nicht der Diener des Staats, sondern mein Diener für den Staat.“ Der Staatsrat verbeugte sich schweigend. Nach einiger Zeit ward er seines Alters wegen zwar vom Amt entlassen, aber doch mit Beibehaltung seines Gehalts. Doch auch in seiner Abgeschiedenheit von den öffentlichen Geschäften behielt er das einmal erworbene Ansehen und besonders den Ruf eines politischen Sehers. Denn alle Staatsveränderungen hatte er lange und mit auffallender Sicherheit vorausgesagt, so daß man sich gern mit einer Art Aberglaubens an ihn wendete, um seine Meinung wegen der Zukunft zu erfahren. Als man ihm einst über seine seltene Gabe ein Kompliment machte, konnte er sich des Lachens nicht erwehren. „Man kann“, sagte er, „unter Leuten, die schlechterdings blind sein wollen, ganz wohlfeil zur Würde eines Sehers und Weissagers gelangen. Mit gesundem Menschenverstand und kaltem Blut reicht man weit, wenn alle Welt in leidenschaftlicher Heftigkeit wider einander rennt und sich über die Dinge, wie sie sind, verblendet.“ „Könnten Sie uns nur Ihre Sehergabe mitteilen!“ sagte einer seiner Bewunderer. „Es ist sehr möglich!“ gab er zur Antwort: „Um in die Zukunft zu schauen, muß man rückwärts sehen, nicht vorwärts – rückwärts in die Vergangenheit! Da hängt der Prophetenspiegel. Aber unsere Minister sehen nicht gern dahin; ohne dem haben sie vom vielen Lesen der Bittschriften, Lobreden und diplomatischen Noten kurzes verdorbenes Gesicht.“ „Aber was sagen Sie von der jetzigen Zeit?“ „Sie bleibt nicht, mit Allem, was in ihr ist. Gegen diese Prophezeihung läßt sich nichts ein wenden!“ sagte der Alte. – „Also meinen Sie, die Unruhen und Änderungen seien noch nicht zu Ende? Und doch ist der böse Geist unter die Ratten und Mäuse von St. Helena verbannt. Woher sollte er wieder kommen? Oder glauben Sie, er oder Seinesgleichen könne wieder erscheinen und wieder Spuk treiben ?“ Der Staatsrat zuckte die Achseln: „Es ist sehr möglich. Übrigens hat der nicht die amerikanische, nicht die französische Revolution gemacht; er hat aber das, was die Revolutionen im menschlichen Geschlecht beschleunigt, mächtig befördert, weil er, seiner Dynastie wegen, mit den abgenutztesten Hilfsmitteln dagegen kämpfte, nämlich gegen Wahrheit, Aufklärung, Freiheit, Recht, nicht nur bei den Franzosen, sondern auch bei andern Völkern. Das weckte auch die andern Völker. Nun will man wieder mit Waffengewalt, Inquisition, Tortur, Nunziaturen, diplomatischen Pfiffen, Haarbeuteln, Perücken, Spießrutenlaufen, Adelspatenten, Ordensbändern, Staupbesen, ewigen Bündnissen, Zensurgesetzen und dergleichen altlöblichen Dingen zum ewigen Frieden helfen. So geschah es schon zur Zeit Franklins und Washingtons, zur Zeit der Bastillen, zur Zeit der Davoufte und Palms. Dieselben Mittel und Ursachen werden dieselben Wirkungen haben. Darauf verlaßt euch.“